04.02.2023 Woche 14
Catlins
Seit einiger Zeit ist mein Rhythmus hier etwas aus dem Takt, ich schlafe morgens länger und bin den ganzen Tag unglaublich müde. Mein Highlight des gestrigen Tages war mein Mittagschlaf. So Tage gibt es nämlich hier auch einige, da ist alles träge und schwer. Dann schaffe ich es auch innerhalb von 10 Minuten mein neues hart ersammeltes, wundervolles Weinglas zu Scherben zu schlagen, Tomatenmark auf meiner hellen Jeans zu verteilen und zu verhindern, dass das Essen nicht auch noch anbrennt. Und das einzige was ich zu sehen bekam waren Wasserfälle. Ich weiss ja nicht. Wasser ist einfach nicht mein Element. Ich finde es schon erstaunlich, dass die Felsen plötzlich so abfallen, dass sich die Erde auftut. Aber, dass das Wasser da hinterher muss, dass beeindruckt mich dann nicht so sehr. Hat ja keine Wahl.




Hier folgt viel Text, der nichts mit der Reise zu tun hat und übersprungen werden kann. >>
Manchmal ist es als laufe ich nichts ahnend durch eine schneebedeckte Berglandschaft und während ich noch die Aussicht geniesse, da reißt mich was mit und schüttet mich zu, legt sich auf meine Brust und schnürt mir die Kehle zu. Dann fühle ich mich überwältigt, machtlos und zu keiner Bewegung im Stande. Manchmal ist das nur ein kleines Schneebretter (meist einmal im Monat und nennt sich dann PMS), da geh ich durch.
Manchmal ist es was Mächtigeres, da ist es wirklich nicht leicht Hoffnung zu schöpfen es aus der Dunkelheit wieder raus zu schaffen, mich freizuschaufeln.






Es ist ja auch ganz bequem, so da zu liegen und nichts zu hören und nichts tun zu können, auszuharren, auf Hilfe hoffend. Wenn da nur nicht dieses unangenehme Gefühl wäre, das mir die Luft nimmt. Da bin ich dann froh über alles was ich gelernt habe in den letzten Jahren, um da wieder rauszukommen. Die Selbst-Rettung aus einer Lawine quasi. Mühsam aber irgendwie möglich. Leichter ist es natürlich, wenn von beiden Seiten geschaufelt wird.
Was ich noch nicht so gut kann ist die Lawinenlage richtig einzuschätzen. Oder wieso sonst lauf ich da immer wieder rein? Ich versuche dann immer mir zu sagen, das Leben gibt einem nur die Aufgaben die man auch bewältigen kann. Und immer zu der Zeit, zu der sie notwendig sind. Und wirklich nur den Menschen, die sie auch tragen können. Wie ich, weil ich so unglaublich Pippi-Langstrumpf-mäßig stark bin.
Ich meine ich weiß Bescheid, ich komme da schon immer wieder raus. Und es zeigt eben wieder, dass man sich überall hin mitnimmt und da kann es noch so paradiesisch und am anderen Ende der Welt, weit weg von meinen vermeintlichen Sorgen sein, die sind alle dabei. Wahrscheinlich, damit ich mich mit ihnen beschäftige, jetzt da ich so viel Zeit habe.
Und natürlich könnte ich das alles auch einfach in mein Tagebuch schreiben, so wie ich es die letzten 15 Jahre getan habe. Und das tu ich natürlich auch weiterhin. Aber ich denke mir so oft, hätte ich früher gewusst, dass es diese Krankheit namens Depression gibt, hätte ich in der Schule davon erfahren, dann hätte ich es vielleicht nicht in der Welt der Erwachsenen verortet und gedacht ich hab einfach eine ganz schlimme Pubertät. Und dann war es eben die Pille die man zur Verhütung nimmt, die die Hormone aus dem Gleichgewicht bringt und als es die nicht mehr war, da war es dann eben die missliche beziehungstechnische Lage und der Stress im Studium. Oder der Vollmond, oder das Wetter… Naja, ich denke jetzt kann ich schon mit ziemlicher Gewissheit sagen, das war es alles nicht nur. Und auch in der Arbeitswelt wird das Thema verschwiegen. Und ich wünsche mir einfach, dass der Umgang mit gestörten Menschen wie mir selbstverständlicher wird. Dass niemand mehr zusammenzucken muss, wenn das Thema angesprochen wird, um dann auf ein anderes zu lenken.
Oder was für mich persönlich noch schwieriger ist, wenn die Depression als Laune abgetan wird, oder einfach verleugnet. Ist doch gut, wenn mehr Menschen wissen was das ist, ich hätte mich oftmals nicht so sehr im falschen Film gefühlt, wenn ich geahnt hätte, wie viele meiner Mitmenschen, ob bei der Arbeit, im Studium oder in der Schule, mit den selben Gedankenkreiseln und der inneren Schwere und Traurigkeit zu kämpfen haben.
Tja. Ich weiss ja, es geht vorbei. So viel hab ich mittlerweile gelernt, ob es nun PMS ist oder wirklich so eine depressive Episode, die Sonne kommt, der Schnee schmilzt und alles wird gut und führt irgendwo hin.




>> Abkürzung hier:
Zum Beispiel nach Neuseeland, in die Catlins, wo es neben Wasserfällen auch andere wundervolle Dinge gibt. Die Steilküsten und die Buchten, die Höhlen und Wälder. Die kleinen Orte und wunderschönen Campingplätze. Ein riesiges Loch mitten auf weitem Feld, ziemlich tief und am Grund schlagen die Wellen gegen die Felswände. Und mein persönlicher Lieblingsort (neben dem Parakaunui Bay) ist der Spielplatz für Erwachsene „The lost gipsy gallery“, so eine Freude dort zu sein. Und dann ist die Stimmung plötzlich doch wieder ganz in Ordnung, sobald ich mich darauf einlasse ganz hier zu sein, mit allem dem was eben da ist und mit all dem was auch fehlt.


















