08.06.2023
Auf der hoffnungslosen Suche nach der perfekten Entscheidung

Und schon wieder sitze ich in einer fremden Wohnung. An einem fremden Ort. Und ich frage mich, was ich hier eigentlich mache. Aber ich weiss es ja ganz genau. Mein Traum ist es in den Bergen zu wohnen. et voilà, hier bin ich. Schaue aus einem anderen Fenster, in eine andere Welt. In Hittisau. Ganz nah an den Bergen. Weites Tal, grüne Wiesen, schon schön. Und dennoch so fremd. Ich spüre da ein Unwohlsein, eine kleine Angst. Ich bin nicht gerne die Fremde, die Unsichere, die Abhängige. Ohne Kontrolle, ohne Sicherheit. Aber wer ist das schon gerne? Ich denke Unsicherheit ist eines der Gefühle, dass die Menschen am meisten an ihre Grenzen bringen kann. Und dafür spaziere ich jetzt schon eine ganze Weile ganz schön elegant am Abgrund entlang. Alleine. Ohne, dass da jemand ist, der mich in irgendeine Richtung zieht oder lenkt oder lockt.












Das brocke ich mir alles selbst ein. Und ich muss mir immer wieder sagen, oder sagen lassen, dass nichts in Stein gemeißelt ist. Dass sich alles ändern lässt. Jede Entscheidung treffe ich nur für diesen Moment, so dass sie sich in diesem Moment gut und somit richtig oder sagen wir mal stimmig anfühlt. Richtig gibt es ja nicht (so sagen die Psychologen) und man muss immer da hin wo die Angst ist (auch das sagen Psychologen). So heisst es, in all den klugen Büchern, die einem helfen sollen das Leben zu meistern.






Aber es ist eben noch kein Meister vom Himmel gefallen und alle machen wir das hier zum ersten Mal. Absolute Anfänger. Beginner durch und durch. Pläne machen ist sinnlos. Niemand weiss was morgen sein wird. Und das ist doch auch ein Stück weit beruhigend, denn so wie ich mich heute entscheide und denke es sei die Entscheidung meines Lebens und ich werde Ruhe haben für alle Zeiten. Ruhe vor diesen Entscheidungen. So kann es sein, dass meine Entscheidung schon morgen absolut keine Rolle mehr spielen wird. Dann hab ich mir echt umsonst Sorgen gemacht, beklemmende Schwere auf dem Herzen und einen nervösen Magen gehabt.
Da es kein richtig und kein falsch gibt, gibt es einfach nur Entscheidungen, die in die eine oder andere Richtung führen, auf oder ab, durch die ich Erfahrungen sammle. Und niemand, ich hoffe so ist es, wird mir einen Vorwurf machen, wenn ich eine Entscheidung treffe, die mir in zwei Monaten nicht mehr gefällt. Denn es war ja meine Entscheidung und der Rest der Welt beschäftigt sich ja nur mit seinen Entscheidungen, womit meine Entscheidung nur für mich eine Rolle spielt. Im Moment sowieso. Niemanden interessiert’s. Und ich muss sagen, für mich macht es das nicht einfacher. Viel einfacher war es bisher mich nach anderen zu richten, die Richtung vorgegeben zu bekommen, mir zu denken, was wohl die anderen für eine Entscheidung von mir erwarten könnten. Ohne diese richtungsweisenden Meinungen, der anderen, der tollen Menschen, die ich beeindrucken wollte, gibt es gar keine Fäden mehr, die mich ziehen. Ein leerer Raum, ein weißes Blatt und das Anfangen ist doch immer so schwer. Kann nicht mal jemand einen Punkt irgendwohin malen? Mir sagen was ich tun soll? Mir den roten Faden in die Hand geben und feste daran ziehen? Einfach in eine Richtung lenken, am besten in die richtige. Wieso denke ich immer andere wissen besser was richtig oder falsch ist, wo es doch kein richtig oder falsch gibt und wo doch alle anderen das ganze Theaterstück auch zum ersten Mal spielen. Das ist nicht mal die Generalprobe, das ist einfach nur Improtheater.


„It’s hard to remember that this day will never come again. That the time is now and the place is here and that there are no second chances at a single moment.“
Jeanette Winterson, The Passion