Heatley Road.

28. Oktober – 04. November 2022

Nach einer zweitägigen Reise durch alle Zeitzonen und rund um die ganze Welt fühle ich mich nun endlich wie völlig aus der Zeit gefallen. Als hätte die Reise in die Zukunft mir das Gefühl für die Zeit genommen. Oder die Zeit, die mir bis vor kurzem immer so sehr im Nacken saß spielt nun einfach keine Rolle mehr. Jedenfalls habe ich seit ich hier bin das Gefühl sehr viel Zeit zu haben und das tut unglaublich gut. Es gibt nichts für mich zu tun. Zumindest nichts was ich unbedingt tun muss. Was nicht heißt, dass es nichts zu tun gibt. 


Einfach machen.

Die kleine Farm, die sich Robyn und Ben hier aufgebaut haben ist ein Meer an Aufgaben, dass einen verschlingen kann, wenn man zu sehr darüber nachdenkt, wie das Schwimmen eigentlich funktioniert. Daher ist das Motto bei den beiden bisher wohl: „Einfach schwimmen.“ oder „Einfach machen.“, bevor man vor lauter Aufgaben in die Schockstarre verfällt. Augenscheinlich sind es auch kleine, übersichtliche Aufgaben, die sich leicht bewältigen lassen, sofern man einen Baumarkt um die Ecke und das richtige Werkzeug hat. Nur ist das hier leider nicht so, wie ich es von Deutschland kenne. Der neue Hühnerstall auf Rädern, ein Sonnendach, ein Regal für die Küche, oder nur eine simple Aufhängung für Gartenwerkzeuge, werden so zum Mammutprojekt, wenn man sich erst einmal die richtigen Materialien auf dem Gelände zusammen suchen muss. Das Gute ist, wir haben Zeit. Zumindest so lange, bis die Hühner so groß sind, dass sie den Stall von alleine wegtragen können. Oder wir von der Sonne gegrillt wurden ( Einen Sonnenbrand zu bekommen dauert hier nur 10 Minuten.)


Farmleben

Die ersten Tage waren Ben und ich sehr damit beschäftigt Zaundraht zu entwirren und flüchtende Tiere einzufangen. Sobald die Schafe eine Fluchtmöglichkeit sehen, um das grünere Gras auf der anderen Seite des Zauns zu erreichen marschieren sie los. Genau wie die Schweine, die gelangweilt von ihren begrenzten Möglichkeiten, dann den Hühnern einen Besuch abstatten oder die Kälber aufmischen.

Daher versucht Ben die Tiere inklusive Zaun, auf dem Gelände zu bewegen, was heißt, dass der Zaun alle paar Wochen umherwandert. Das Ziel ist dann wohl überall grünes, kurzes Gras zu haben und natürlich glückliche Tiere. Ben und Robyn diskutieren die letzten Tage auch immer wieder darüber, welches Schaf zuerst geschlachtet werden muss, da es dieses Ausreißer-Schaf gibt (sozusagen das schwarze Schaf), dass die anderen Schafe auch zur Flucht anstiftet. Allerdings ist es auch so süß, dass ich nicht weiß ob ich die Schlachtung noch miterleben werde.

Ben versucht sich auf dem Gelände an Permakultur oder wie er sagt „Ich weiss auch nicht so genau was ich da eigentlich mache.“ Trotzdem habe ich Unkraut gejätet und mich über die meditative Wirkung gefreut. Wenn ich groß bin will ich auch mal einen Garten haben.


Campsite

Ben und Robyn wohnen in einer Garage an der „Eingangsseite“ des Grundstücks. Der Zustand erinnert ein wenig an Dauercamping oder ein etabliertes Provisorium. Es fehlt an nichts und trotzdem sind die Standards und die Prioritäten ein wenig anders gesetzt als es die europäische Normierung vorsehen würde. Immerhin, seit diesem Jahr gibt es Strom und somit einen Kühlschrank und zuverlässiges Internet. Auf der anderen Seite des Hügels, mit Blick auf die Meeresarme und grünen Hügel befindet sich dann meine derzeitige Unterkunft. Es ist eigentlich die Sommerresidenz von Ben‘s Eltern, die mich netterweise für die erste Woche hier wohnen lassen. Hier ist es schon nicht mehr wirklich Camping, mehr Glamping, einfach und luxuriös. Alles ein bisschen weniger provisorisch und mit einer wundervollen Aussicht.


„Es geht mir gut, es geht mir sehr sehr gut…“

Hier werde ich die letzten Tage jeden Morgen von der Morgensonne geweckt, Robyn kommt über den Hügel zum Yoga, wir trinken Kaffee ohne Milch, statt Cappuccino, Regenwasser statt Mineralwasser, es gibt keine Schokolade (okay, dafür Salted Caramel Eis) und trotzdem fehlt es mir an nichts. Wenn niemand schaut tanze ich in der Sonne auf der Terrasse mit Blick auf grüne Hügel und das Meer. Sockendisko Deluxe.

Der Weg zu den beiden auf der anderen Seite des Hügels, führt vorbei an den Tieren und dem Garten. Sechs Schafe, zwei Kühe, sechs prächtige Hühner, viele mittelprächtige Hühner, zwei Schweine.  Abends nachdem Ben gekocht hat (Ich denke niemand sonst sollte hier kochen, er macht das schon sehr gut) gehe ich über den Hügel zurück zum kleinen Schloss und kann dank neuster Technologien meine Serie zum Einschlafen anschauen.  Es fühlt sich gut an hier zu sein, es ist wie eine Mischung aus „nach Hause kommen“, Camping und Ferien auf dem Bauernhof.


WOW WOW WOW. 

Dinge für die ich sehr sehr dankbar bin: 

Ich habe Zeit. Seit ich in den Flieger gestiegen bin, bin ich in einem scheinbar zeitlosen Raum. Die Zeit spielt keine Rolle. Ich wache auf, wenn die Sonne aufgeht und gehe ins Bett wenn ich müde bin und es dunkel wird.

Ich sehe jeden Tag meine Schwester. Das ist schön. So schön. Richtig schön.

Lust auf Schafe zählen?

Trage dich hier ein und du weißt immer wenn es was Neues gibt.

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